Empfang der IHK: Hilft die KI auch gegen Bürokratie?

Beim Frühlingsempfang der Industrie- und Handelskammer (IHK) geht es unter anderem um die Chancen der künstlichen Intelligenz. Kritik übt Kammerpräsident Claus Paal an der Politik der Bundesregierung, der es an Berechenbarkeit fehle.

IHK-Geschäftsführer Markus Beier und Präsident Claus Paal stellen sich beim Frühlingsempfang in Fellbach den Fragen von Moderator Michael Antwerpes (von links). Foto: Gabriel Habermann

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IHK-Geschäftsführer Markus Beier und Präsident Claus Paal stellen sich beim Frühlingsempfang in Fellbach den Fragen von Moderator Michael Antwerpes (von links). Foto: Gabriel Habermann

Von Kornelius Fritz

Fellbach. Über künstliche Intelligenz (KI) und ihre Chancen wird zurzeit viel gesprochen, doch nur wenige tun das so euphorisch wie Bilal Zafar. Wohl genau deshalb hatte die Industrie- und Handelskammer Rems-Murr den 34-Jährigen am Montagabend zu ihrem Frühlingsempfang im Fellbacher Goldbergwerk eingeladen. Dort hielt der Jungunternehmer, der durch einen Auftritt in der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ bekannt geworden war, vor knapp 500 Gästen eine flammende Rede, in der er nicht mit Superlativen sparte. Künstliche Intelligenz sei eine „Jahrhundertchance“ und „die größte Veränderung zu unseren Lebzeiten“, sagte Zafar. Schon heute biete die neue Technik großartige Chancen, doch das sei erst der Anfang. „In zehn Jahren wird es eine KI geben, die jede intellektuelle Aufgabe verstehen kann, die ein Mensch ausführen kann“, prophezeite der Experte.

Was künstliche Intelligenz heute schon kann, demonstrierte Bilal Zafar mit vielen unterhaltsamen Beispielen. So zeigte er, wie eine KI-Software aus einem Passfoto ein Video erstellt, in dem die abgebildete Person scheinbar in eine Kamera spricht. Verblüffend auch die „Fotos“, die Zafar präsentierte. Welche der darauf abgebildeten Personen echt und welche von der KI generiert waren, konnte niemand im Publikum mit Gewissheit sagen. „Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen“, stellte der Unternehmer fest.

ChatGPT bewahrt vor einem Bußgeld

Solche Entwicklungen mögen manchen erschrecken, Bilal Zafar findet sie toll. Er schwärmte von den ungeahnten Möglichkeiten, die sich daraus ergeben. „Traut euch, habt keine Angst“, rief er den Unternehmerinnen und Unternehmern im Publikum zu. Denn er ist davon überzeugt: Wer sich auf die künstliche Intelligenz einlässt, der hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: „Wer jetzt mitmacht, der wird davon profitieren.“

Ob man auch seine privaten Probleme mit einem Chatbot besprechen möchte, ist eine andere Frage. Bilal Zafar tut es jedenfalls. Er unterhält sich mit ChatGPT über alle möglichen Themen: „Die Tipps, die ich von der KI bekomme, sind genauso gut wie die von einem guten Freund.“ Kürzlich hat ihn der Chatbot sogar vor einer Strafe bewahrt. Den Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens hatte ChatGPT offenbar so überzeugend formuliert, dass die Bußgeldstelle der Stadt Freiburg das Verfahren einstellte.

Mit ganz anderen Anwendungsmöglichkeiten künstlicher Intelligenz beschäftigt sich die Industrie- und Handelskammer, wie Präsident Claus Paal im Gespräch mit Moderator Michael Antwerpes erläuterte. So will die IHK ein eigens entwickeltes KI-Tool dafür nutzen, um die aus ihrer Sicht überbordende Bürokratie einzudämmen. Unternehmen können Beispiele für überflüssige Vorschriften melden, die dann mithilfe von künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Ziel sei es, der Politik Lösungsvorschläge zu präsentieren, wie die Wirtschaft auch mit weniger Vorschriften und Normen funktionieren kann. Denn die Bürokratie habe inzwischen ein Ausmaß erreicht, das von den Firmen nicht mehr zu bewältigen sei. „Ein Unternehmer will sich doch um sein Geschäft kümmern und nicht jeden Tag einen Nachhaltigkeitsbericht ausfüllen“, machte Claus Paal deutlich.

IHK fordert „Überholspur“ für ausländische Fachkräfte

Auch sonst sparte der IHK-Präsident, der von 2011 bis 2021 für die CDU im Landtag saß, nicht mit Kritik. Deutschland sei beim Wirtschaftswachstum Schlusslicht in Europa. „Wenn man auf dem letzten Platz steht, muss man sich fragen, ob man noch den richtigen Trainer hat“, sagte Paal, offenbar in Anspielung auf Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Unternehmer seien verunsichert, weil Planbarkeit und Berechenbarkeit fehlten. „Es darf nicht jede Woche eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden“, sagte der Präsident, der unter den Firmen in der Region eine „sehr unruhige Stimmung“ wahrgenommen hat. Auch der Fachkräftemangel spielt dabei eine Rolle. Neben ihrem Kerngeschäft, der Ausbildung, macht sich die IHK deshalb auch für eine gezielte Zuwanderung stark. Allerdings dauere es viel zu lange, bis die begehrten Fachkräfte ihre Arbeitserlaubnis erhalten, berichtete Markus Beier, der leitende Geschäftsführer der Bezirkskammer Rems-Murr. Er forderte deshalb eine „Überholspur für Fachkräfte“ in den Ausländerbehörden.

Neben dem offiziellen Programm spielt beim IHK-Empfang auch der anschließende Austausch im Foyer eine wichtige Rolle. Das Goldbergwerk, eine zur Veranstaltungshalle umgebaute ehemalige Gießerei der Firma Mahle, bot dafür wie im Vorjahr den passenden Rahmen. 2025 soll wieder dort gefeiert werden. Und auch der Termin wird beibehalten: Im vergangenen Jahr hatte die IHK ihren traditionellen Neujahrsempfang erstmals in den Frühling verlegt. Bei den Gästen kam das sehr gut an.

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Erstellt:
24. April 2024, 06:00 Uhr

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