Freispruch: Vergewaltigung ist nicht nachweisbar

19-Jähriger wird durch Jugendschöffengericht vom Vorwurf erzwungenen Oralverkehrs an einer minderjährigen Mitschülerin freigesprochen.

Symbolfoto: okanakdeniz - stock.adobe.com

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Von Heike Rommel

Waiblingen/Weissach im Tal. Das Waiblinger Jugendschöffengericht hat gestern einen 19-Jährigen vom Tatvorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Nach der Beweisaufnahme stand Aussage gegen Aussage darüber, was im Schlafzimmer seiner Eltern während der Unterrichtsmittagspause passiert sein soll. „Für uns war es wahnsinnig schwer zu beurteilen“, sagte Richter Martin Luippold in der Urteilsbegründung.

Zugetragen haben soll sich die Tat am Montag, 17. Oktober 2022, gegen 12.30 Uhr. In der Mittagspause ging der Angeklagte mit einer Mitschülerin und einem Mitschüler vom Bildungszentrum Weissacher Tal zu sich nach Hause – in eine Dreizimmerwohnung, in der sich vier Söhne ein Kinderzimmer teilen müssen. Angeblich, um zu reden, sollen sich der damals 18-Jährige und die damals 14-Jährige ins Elternschlafzimmer begeben haben. Die Mutter kochte und zum jüngeren Bruder des 18-Jährigen kam der Mathenachhilfelehrer.

In der Anklageschrift war auszugsweise beschrieben, wie es zum erzwungenen Oralverkehr gekommen sein soll. „Sie sagte vorher mehrmals Nein“, hielt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft fest.

Zurück in der Schule ging das Mädchen zum Rektor. Dieser schickte sie zu einer Sozialarbeiterin weiter. Als mutmaßliches Opfer wurde das Mädchen vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört. Der Angeklagte hingegen teilte mit, es sei überhaupt nichts passiert. „Die war die ganze Zeit im Wohnzimmer und meine Mutter in der Küche“, sagte der heute 19-Jährige. Das mutmaßliche Opfer habe über einen anderen so etwas auch schon mal herumerzählt. Die Gerüchteküche unter den Schülerinnen und Schülern brodelte, bis der Angeklagte von der Schule flog.

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Der gleichaltrige Begleiter der zur Tatzeit 14-Jährigen sagte als Zeuge vor Gericht aus. Die beiden seien in ein anderes Zimmer gegangen und hätten die Tür zugemacht. Er habe zwischendurch auch mal an die Tür geklopft und gefragt, ob alles in Ordnung sei. Da sei herausgerufen worden: „Ja, wir kommen gleich!“ „Wir mussten wieder in die Schule“, sagte dieser Zeuge und schilderte, ihm sei aufgefallen, dass die Haare seiner Schulkameradin durcheinander waren, als sie wieder erschien. „Auf dem Rückweg zur Schule hat sie geweint“, fuhr er fort. „Dann sind wir zum Rektor.“

Die 45-jährige Sozialarbeiterin der Schule berichtete, sie habe eine ziemlich aufgewühlte Schülerin vor sich sitzen gehabt: „Sie war richtig durch den Wind und erzählte, was passiert sein sollte.“ Die Sozialarbeiterin vermittelte der Schülerin einen Kontakt zu einer Beratungsstelle, die eine ärztliche Untersuchung in die Wege leitete und die Polizei verständigte.

Der Nachhilfelehrer erklärte im Zeugenstand: „Es war nichts anders als sonst.“ Er sei freundlich von der Familie empfangen worden und habe von der Mutter wie immer Tee zu trinken bekommen. Der Angeklagte sei mit zwei weiteren Personen in der Wohnung erschienen, aber er selbst habe sich auf die Nachhilfe konzentrieren müssen. „Wenn da etwas Auffälliges gewesen wäre, hätte ich natürlich reagiert“, sagte der 43-jährige Lehrer aus. Die 44-jährige Mutter des Beschuldigten sah kein Problem darin, dass dieser über den Mittag zwei Freunde mit nach Hause brachte. Sie merkte vor diesen lediglich an, dass im Wohn-Ess-Bereich Nachhilfe gegeben werde. Nach Erscheinen des Nachhilfelehrers hätten ihr Sohn und die beiden Gäste die Wohnung dann auch wieder verlassen.

„Eine von beiden Geschichten stimmt“, sahen sich Jugendrichter Luippold und zwei Laienrichter in diesem Fall vor einer schwierigen Urteilsfindung. Für sie warf schon die beengte Wohnsituation Zweifel daran auf, dass die mutmaßliche Vergewaltigung passiert sein soll. Die anderen Personen in der Wohnung hätten zu jeder Zeit stören können. Der Freispruch des Angeklagten erfolgte nach dem Grundsatz „In dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten). Wobei Richter Luippold erklärte, das Gericht denke von keiner der beiden beteiligten Personen, sie habe gelogen.

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Erstellt:
24. April 2024, 11:30 Uhr

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